Inklusionsvereinbarung – braucht man das und wozu?

In letzter Zeit war ich öfters damit beschäftigt, bei der Verhandlung von Inklusionsvereinbarungen mitzuwirken. Meine Rolle war dabei eher vermittelnd, in dem Sinne, dass ich dafür gesorgt habe, dass alle relevanten Personen mit am Tisch sitzen. Das war nicht immer einfach, aber sehr lohnend.

Aber von Anfang an:

Inklusionsvereinbarung – was ist das?

Eine Inklusionsvereinbarung ist eine Art Betriebsvereinbarung zum Thema Inklusion von Menschen mit Behinderung. Wenn Sie bei sich im Unternehmen welche beschäftigen (oder beschäftigen wollen), macht es in jedem Fall Sinn, sich Gedanken über bestimmte Prozesse zu machen.

  • Welche betrieblichen Akteure sind in welcher Situation verantwortlich?
  • Welche Schwerpunkte wollen wir in dem Thema setzen?
  • Wie offen wollen wir in unserer Organisation mit dem Thema umgehen?
  • Wer spricht wann/wie oft mit wem über das Anliegen?

Eine Inklusionsvereinbarung ist eine Einladung zu einem offenen Umgang mit dem Thema, ein Signal, dass man sich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter nicht schämen muss, einen anerkannten Behinderungsgrad zu haben, sondern sich auch offen und verletzlich zeigen darf, ohne dass es einem zum Nachteil gereicht wird.

Was wird darin geregelt?

Eine Inklusionsvereinbarung ist eine Art Selbstverpflichtung, welche Punkte man in Bezug auf die Inklusion schwerbehinderter Mitarbeitender umsetzen möchte. Der §166 Abs. 2 und 3 SGB IX machen dazu ein paar konkrete Vorschläge, die natürlich auch nach Bedarf erweitert werden können:

  • Regelungen in Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, z.B. wie ist bei der Besetzung freier/frei werdender oder neuer Stellen oder in der Berufsausbildung gewährleistet, dass alle notwendigen Personen eingebunden werden?
  • Regelungen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, z.B. Arbeitsorganisation, Integration ins Team, Teilzeitarbeit, Umgang mit Überstunden etc.
  • Regelungen in Bezug auf die Barrierefreiheit – die bauliche wie auch die digitale, aber auch weitere Aspekte wie spezielle Parkplätze
  • Wie wollen Sie die betriebliche Prävention durchführen (z.B. Betriebliches Eingliederungsmanagement), die Gesundheitsförderung gestalten oder den Betriebsarzt oder externe Stellen einbinden? Und wer konkret ist zuständig, wenn externe Stellen eingebunden werden sollen?

Wer ist an der Verandlung beteiligt?

Initiieren können die Verhandlung einer Inklusionsvereinbarung entweder der Arbeitgeber selbst oder die betrieblichen Intressenvertretungen, also Betriebsrat und/oder die Schwerbehindertenvertretung, sofern es diese gibt.

Mit an den Tisch für Einzelthemen gehören aber auch:

  • die Person(en), die für Recruiting und Personalentwicklung zuständig ist/sind,
  • jemand aus den Bereichen Gesundheitsmanagement,
  • IT (digitale Barrierefreiheit) oder Gebäudemanagement (bauliche Barrierefreiheit)
  • oder … – je nachdem welche Themen Sie noch besprechen.

Bei Bedarf unterstützt übrigens auch das Inklusionsamt, insbesondere im Hinblick darauf, wenn unterschiedliche Auffassungen überwunden werden sollen.

Was hat ein Unternehmen von einer Inklusionsvereinbarung?

Oder anders gefragt: Warum lohnt es sich, sich mit dem Thema Inklusion von Menschen mit Behinderung zu befassen?

  • Weil Unsicherheiten im gegenseitigen Umgang dadurch abgebaut werden.
  • Weil ein Gespräch “miteinander”, auch wenn man nicht sofort einer Meinung ist, immer besser sind als Gespräche “übereinander” – oder womöglich überhaupt keine Kommunikation.
  • Weil alleine durch den Prozess, dass man gemeinsam am Verhandlungstisch sitzt und bestimmte Themen bespricht, oftmals schon eine Schärfung des Bewusstseins für das Thema Inklusion oder über vorhandene Barrieren erfolgt.
    → Wissen Sie, wie ein Bildschirmvorleseprogramm den Speiseplan Ihrer Kantine ausgibt? Lassen Sie es mal sich von jemandem, der auf dessen Nutzung angewiesen ist, demonstrieren – für mich war diese Erfahrung echt Augen öffnend.
  • Weil dann ganz oft zur Sprache kommt, dass die meisten Dinge die beteiltigten Akteure gar nicht so viel bis gar nichts kosten, ausser die Dinge ein kleines bisschen anders zu tun.
     Ein Beispiel hierfür ist, das Scannen: “Normale” Scans erfassen gescannte Dokumente als “Bildelemente” und sind somit für Menschen, die auf Bildschirm-Vorleseprogramme angewiesen sind, nicht zu erkennen. Abhilfe schaffen Scans als Volltext-Dokumente (pdfa) – was bei den meisten Multifunktionsgeräten in Unternehmen problemlos umzusetzen sein sollte.
  • Weil Unternehmen dadurch auch ein positives Signal an schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber aussenden –
    und sie sich dadurch als attraktiver Arbeitgeber positionieren.
  • Weil sich durch Prozesse, die das Leben von Menschen mit Behinderung vereinfachen, auch insgesamt die Prozesse verbessern können.
  • Weil Vielfalt unter den Beschäftigten erfahrungsgemäß die Kreativität insgesamt erhöhen.
  • Und nicht zuletzt: Weil Sie sich – je nach dem Angebot Ihres Unternehmens – durch barrierefreie Webseiten und Bestellprozesse eventuell auch neue Kundengruppen erschließen.

Warum ist das Thema überhaupt relevant?

Eine Schwerbehinderung kann jeden von uns schneller treffen als uns lieb ist – nur 3 % aller Schwerbehinderungen sind nämlich angeboren. Der Rest entsteht im Laufe des (Berufs-)Lebens, durch Unfälle oder Erkrankungen (Krebserkrankungen sind übrigens ganz vorne mit dabei).
Statisch nimmt der Anteil an Schwerbehinderungen ab ca. 50 Jahren sehr stark zu – insofern ist das Thema auch für Unternehmen relevant, in denen das Durchschnittsalter von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in diese Größenordnung bewegt.

Und nicht zuletzt: Denn schwerbehinderte Menschen sind trotz oftmals guter Ausbildung ein gern übersehener Fachkräfte-Pool am Arbeitsmarkt.

Was kommt danach?

Wenn die Inklusionsvereinbarung von allen relevanten Akteuren unterschrieben ist, kommt der schwierigste Part: Die Umsetzung.

Die Kommunikation an die Führungskräfte und Beschäftigten – ob mit Behinderung oder ohne – ist der erste Schritt für eine gelungene Inklusion. Denn die klappt nur, wenn alle mitmachen.
Dazu gehört auch, transparent darzustellen, warum das Thema für Sie – für das Unternehmen – wichtig ist.
Dazu gehört auch, Betroffenheit zu schaffen für das Anliegen und Gesprächsmöglichkeiten.
Dazu gehören interne (oder auch externe) Botschafter. Und einen (oder mehrere) Kümmerer.
Dazu gehört auch und vor allem, die Themen, die Sie vereinbart haben, anzugehen, Anregungen nachzugehen.

Haben Sie Fragen zum Thema? Brauchen Sie Gründe, um ins Tun zu kommen?
Lassen Sie uns ins Gespräch kommen! Ich begleite Sie gern auf Ihrem Weg.

Rufen Sie mich an unter 0151 5074 1579.

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